Pressebericht: Suche nach dem Sinn des Lebens

„Kultur im Gewölbekeller“ – Pressebericht des Iserlohner Kreisanzeigers
(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des IKZ)

Datum: 03. April 2019
Veranstaltung: Ralf Tiemann / Werkschor Auerweg

Suche nach dem Sinn des Lebens

Der Werkschor Auerweg wagt sich im Gewölbekeller an ein ganz großes Thema

Von Miriam Mandt-Böckelmann

Letmathe. Es gibt Konzerte, die sind anders: Sie bewegen. So wie der Auftritt des „Werkschor Auerweg“ im Gewölbekeller von Haus Letmathe.

Ein Erklärungsversuch. Auf dem Rückweg vom Konzert im Auto – ich suche nach dem berühmten „ersten Satz“ für diesen Artikel. Gedanken gehen mir durch den Kopf: Was ist der Sinn des Lebens? – denn entlang dieser Frage hatten die Sängerinnen und Sänger unter der musikalischen Leitung von Ralf Tiemann die Besucher durch das rund zweistündige Programm geführt. Ich komme ins Grübeln. Dann eine Nachricht meines Mannes auf dem Handy: „39,6“ – steht da. Oh, nein. Nicht schon wieder – denke ich leider genervt. Die kleine Tochter, Fieber, es geht schon wieder im Kiga rum.

Eine kleine ganz private Erkenntnis

Dann stecke ich den Schlüssel ins Haustürschloss – und mit einmal sehe ich klar: Das Kind, das oben fiebert und grantelt, ist der Sinn meines Lebens. Danke Werkschor. Und bestimmt ist es auch noch anderen Zuhörern so gegangen, das zeigt auch der lang anhaltende Applaus. Wenn ein Chorkonzert das schafft, dann kann man gar nicht anders: Jubeln, alles richtig gemacht. Man spürt die Hingabe, mit der die Mitsänger – viele verbindet seit der Gründung vor 13 Jahren eine Freundschaft – an die Auswahl der Stücke gegangen sind. Nichts wirkt beliebig, bekannte Chorklassiker, die Ranschmeißer, die fast jeder Hobby-Chor im Programm hat, fehlen – und das ist nicht schade, denn was man stattdessen geboten bekommt sind Rhythmus, Melodien, Botschaft.

Zwischen den einzelnen Stücken tragen die Sänger Gedichte oder kurze Texte vor, Gedanken zum Weiterdenken. Der „Werkschor Auerweg“ zeigt: Zusammen mit Freunden in einer Gruppe singen, das bedeutet nicht, seine Persönlichkeit an der Garderobe abzugeben. Chormusik muss nicht Heile- Welt-Musik sein, kein „Reim-Dich, oder ich fress Dich“, auch Chormusik darf traurig und ängstlich sein und inhaltlichen Anspruch haben – wobei das andere natürlich auch seine Berechtigung hat: Erlaubt ist, was gefällt – und Sängern und Publikum Freude macht.

Freude, Liebe, Glück und Zufriedenheit

Denn darum geht es: Freude, Liebe, Glück und Zufriedenheit – sie sind es, die auch für die Zuhörer den Sinn des Lebens ausmachen. Das zeigt eine Umfrage in der Pause: Zuvor hat der Chor kleine Karten verteilt, auf denen jeder seine Gedanken zu Papier bringen konnte. Eine schöne Idee.

Ungewöhnlicher Chor, ungewöhnliches Repertoire: Der Werkschor Auerweg hatte Stücke von „Erdmöbel“, „Simon & Garfunkel“, Max Raabe, Hildegard Knef und mehr im Gepäck. Foto: Michael May
Ungewöhnlicher Chor, ungewöhnliches Repertoire: Der Werkschor Auerweg hatte Stücke von „Erdmöbel“, „Simon & Garfunkel“, Max Raabe, Hildegard Knef und mehr im Gepäck. Foto: Michael May

Zur Begrüßung hatte auch schon Franjo Schlotmann, Vorsitzender des Fördervereins Haus Letmathe, die Besonderheiten des „Werkschors“ hervorgehoben, wobei selbst Ralf Tiemann die Herkunft des Namens nicht mehr wirklich erklären kann.

Schlotmann: „Es ist kein normaler Chor und das im positiven Sinne.“ Tatsächlich reicht das Repertoire von „Erdmöbel“ über Simon & Garfunkel, die Ex-Straßenmusikerin Barbara Cuesta („Ich fühl“), Element of Crime, bis zu Hildegard Knefs wunderbarem „17 Millimeter fehlten mir zum Glück“ und Bob Dylans „Serve Somebody“, das zum fetzigen „Du musst dienen“ wurde. Den zweiten Teil eröffnete – augenzwinkernd – die „Abteilung zur Pflege der Instrumentalmusik“ mit Gitarrenklängen. Weiter ging’s mit Rio Reisers „Vier Wände“ und einem melancholischen Solo von „Ich bin schuld“ (Max Raabe). Was bleibt sind Textzeilen wie: „Ist das mein Leben, das ich lebe? Oder ist es endlich Zeit, so zu werden, wie ich eigentlich bin?“ (aus: „Ich fühl“) und Knefs „Dass es gut war, wie es war, das weiß man hinterher. Dass es schlecht ist, wie es ist, das weiß man gleich“ oder „Und es fühlt sich an wie Schweben, wie ein ganz normales Leben, du und ich auf einem Dach – irgendwo“. Kann es eine schönere Liebeserklärung geben? Denn auch das ist vielleicht der Sinn des Lebens.